Architektonisch waren es spannende Zeiten um die vorletzte Jahrhundertwende. Der Jugendstil dämmerte bereits herauf, aber der Historismus brachte ebenfalls noch Meisterleistungen hervor. Beispielsweise die Georgskirche am Rande der Altstadt.
Es waren zwei gleichlautende Aufgaben: Kirchenbauten für die Ulmer Garnison. Doch die Ergebnisse konnten unterschiedlicher kaum ausfallen. Den Wettbewerb für die katholische Garnisonskirche gewannen die Freiburger Architekten Vater und Sohn Max und Carl Anton Meckel, den für die evangelische der Stuttgarter Professor Theodor Fischer.
Fischers Pauluskirche von 1908 gilt wegen ihrer erstmaligen Verwendung von Eisen(sicht-)beton und ihrer markanten, von syrischen Bauformen inspirierten ›Granaten‹-Türme als Meilenstein in der Architekturgeschichte. Ihr Pendant, Meckels etwas frühere Georgskirche von 1902/04 hingegen, stand lange in deren Schatten.
Dabei ist sie ein seltenes und überdies ebenfalls sehr sehenswertes Objekt: Sie ist eine der der wenigen neugotischen Kirchen, die ihre reiche und sehr farbenfrohe Bemalung über die Zeitläufe hinweg bewahrt hat. Also auch über jene Zeiten hinweg, als dieser Stil abschätzig abgetan wurde als Effekt heischende Nachahmung.
Dass die Georgskirche erstmals in den 1980er Jahren renoviert wurde, ist somit rückblickend als Glücksfall anzusehen. So präsentiert sich dieses Gesamtkunstwerk des späten Historismus bis heute in weitgehend originalem Zustand. Ins Auge sticht innen das schöne Netzgewölbe, welches das saalartig verbreiterte Mittelschiff überspannt, und von außen das mächtige Westwerk mit fünfspitzigem Turmhelm. Beide Kirchen trennen nur wenige hundert Meter und wenige Jahre. Architektonisch aber trennen sie Welten.
Adresse
St. Georgskirche Ulm
Beethovenstraße 1
89073 Ulm