Neu-Ulms katholische Stadtpfarrkirche St. Johann Baptist gilt unter Kennern als absolute Architekturperle. Im Innern erinnert das mystische Spiel aus Licht und Schatten an den Film des Expressionismus der 1920er Jahre. Zeitlich liegen Bau und Film nah beieinander.
Im Kirchenbau steckt noch der neuromanische Vorgänger aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dann bekam Baumeister Dominikus Böhm die Chance, dem bis dahin schlichten Gotteshaus durch Um- und Anbauten ein sehr eigenwilliges, sehr expressives Gepräge zu geben. Unter erschwerten Bedingungen vor und nach dem Ersten Weltkrieg gelang ihm schließlich eines der bedeutendsten Sakralbauwerke jener Zeit in Deutschland überhaupt.
Er wolle die Wände „zum Vibrieren" bringen, erklärte er seine künstlerische Intention. An der Fassade, von italienischen Vorbildern inspiriert, führt er dies vor durch den rhythmischen Wechsel von weißem Jurakalk und Querbändern aus rotem Ziegel. Er steigert dies in den Seitenwänden, die er wie gefaltet erscheinen lässt. Der Höhepunkt ist in den beiden Kapellen erreicht, wo er gleichsam den gesamten Raum in Dynamik versetzt. Unbedingt anschauen!
Besonders raffiniert fällt die Licht-Schatten-Inszenierung in der Auferstehungskapelle aus, mit der Bronzeplastik „Der Auferstehende" als Mittelpunkt. Ausgehend von der spiralförmigen Fußbodengestaltung, den Mauerscheiben sowie dem gesteuerten Lichteinfall durch die Kuppel scheint der gesamte Raum in Rotation zu geraten, was Böhm von einer „Lichtturbine" sprechen ließ. Von umwerfender Wirkung!
Adresse
St. Johann Baptist
Johannesplatz 4
89231 Neu-Ulm